Anmerkungen

Von der Schlacht bei Neufchâteau bis zu Stellungskämpfen bei Reims

0 Kommentare 06. März 2016

Militärpass des 2. Nassauischen Infanterie-Regiments Nr. 88 für Georg Schmiele

Ausweis für den Soldaten: Militärpass des 2. Nassauischen Infanterie-Regiments Nr. 88 für Georg Schmiele

Von Carsten Fischer

Saarburg bei Trier, Useldange in Luxemburg oder Mouzon in den französischen Ardennen – diese Stationen aus den Anfangstagen des Ersten Weltkriegs hat mein Urgroßvater Georg Schmiele in seinen Briefen und Postkarten notiert.  Auf diese Weise lässt sich sein erster Weg an die Westfront relativ gut nachvollziehen.

Erst in Mitteilungen aus späteren Monaten bleiben Ortsangaben aus Gründen der Geheimhaltung unerwähnt.  So meldet er am 10. Juni 1915 per Postkarte in die Heimat:

„Wir sind glücklich an unseren vorläufigen Bestimmungsort angekommen. Sonst geht es mir noch gut. Woher darf ich Euch vorläufig nicht schreiben.“

Die verwendete Postkarte zeigt zwar das Straßburger Münster, doch zu diesem Zeitpunkt hat Georg Schmiele die elsässische Stadt schon hinter sich gelassen und befindet sich an einem unbekannten Ort. Ich muss andere Quellen heranziehen als die Feldpost allein, um das Rätsel zu lösen, wo er sich im Juni 1915 und in anderen Phasen des Ersten Weltkriegs aufgehalten hat. Diese Recherchen erfordern den Rückgriff zum Beispiel auf die Regimentschroniken und dauern noch an.

Glücklicherweise sind sowohl der Militärpass als auch das Soldbuch erhalten geblieben. Inbesondere der Militärpass, ausgestellt vom 2. Nassauischen Infanterie-Regiment Nr. 88 am 22. September 1911 in Mainz, liefert wichtige Hinweise.  In dem Soldatenausweis finden sich Personalnotizen sowie Angaben über Versetzungen, Beförderungen, Orden und Ehrenzeichen, Feldzüge und Verwundungen, besondere militärische Ausbildungen und die Teilnahme an Gefechten.

Militärdienst in Hessen

Der evangelische Werkzeugschlosser Georg Gustav Friedrich Schmiele aus Halver in Westfalen tritt am 14. Oktober 1909 in den Dienst als Ersatz-Rekrut im 2. Nassauischen Infanterie-Regiment Nr. 88 (7. Kompagnie) ein. Das Regiment liegt in der Elisabethen-Kaserne, An der Goldgrube, in Mainz, das zweite Bataillon mit der 7. Kompagnie ist in der Infanterie-Kaserne am Paradeplatz in Hanau stationiert. In der Mannschaftsliste, der Truppen-Stammrolle für 1909, findet sich Georg Schmiele unter der Nummer 58 wieder.

Mein Urgroßvater ist kleiner, als ich ihn mir anhand von Fotos vorgestellt habe. Mit einer Körpergröße von 1,65 Metern wird er seine Kameraden wohl nicht gerade überragt haben.  Als Stiefelgröße ist im Militärpass „27 1/2“ notiert, die Stiefelweite beträgt „3“.

Georg Schmiele ist 21 Jahre alt, als sein Militärdienst in Hessen beginnt. Nach einem Jahr wird er am 1. Oktober 1910 zum Gefreiten befördert. Dann führt ihn die folgende besondere militärische Ausbildung wieder zurück in die Nähe seiner Geburtsstadt Berlin, wo er bis um 14. Lebensjahr die Volksschule besucht hatte.

Vom 12. Oktober 1910 bis zum 8. August 1911 ist Georg Schmiele zum Lehr-Infanterie-Bataillon Potsdam abkommandiert. Dort lernt er, mit der Repetierbüchse Mauser 98 zu schießen, dem Standardgewehr der Infanterie, und erreicht die erste Schießklasse. Zurück in Hessen, wird er am 22. September 1911 aus dem Militärdienst in die Reserve entlassen.

Die Pflicht ruft erneut, als Georg Schmiele zu einer vierzehntägigen Übung vom 19. August bis 1. September 1913 einberufen wird – beim Königlich-preußischen Infanterie-Regiment Hessen-Homburg Nr. 166 (11. Kompagnie) in Hanau. Der Kommandeur hält bei der Entlassung fest: „Führung: gut, Strafen: keine“)

Mobilmachung und erste Gefechte
Teilnahme an Gefechten: Militärpass des 2. Nassauischen Infanterie-Regiments Nr. 88 für Georg Schmiele

Teilnahme an Gefechten: Militärpass des 2. Nassauischen Infanterie-Regiments Nr. 88 für Georg Schmiele

Im Zuge der Mobilmachung  wird Georg Schmiele am 5. August 1914 zum 1. Kurhessischen Ersatz-Infanterie-Regiment Nr. 81 (6. Kompagnie) versetzt.  Dieser Verband, zu Friedenszeiten an der Gutleutkaserne in Frankfurt am Main stationiert, ist als Teil der 21. Reserve-Division dem XVIII. Armee-Korps  unterstellt, einem Großverband des Deutschen Kaiserreichs. Bei Kriegsausbruch ist das XVIII. Armee-Korps an den Grenzschlachten der 4. Armee an der Westfront beteiligt.

Über Siegen, Bingen, Saarburg-Wincheringen, Useldange (Luxemburg)  geht es zur Front.  Waren die Soldaten vorher noch unter Hurra-Rufen ausgerückt, so sind sie jetzt in die ersten Kämpfe verwickelt. Am 29. August 1914 schreibt Georg Schmiele aus der französischen Gemeinde Mouzon, gelegen am Übergang über die Maas.

„Wir stehen 16 Kilometer südlich von Sedan.“ […] Hier auf den Schlachtfeldern sieht es schrecklich aus.“

Einträge im Militärpass

Auf einem gesondert eingeklebten Blatt im Militärpass wird  dem Gefreiten bescheinigt, dass er „infolge Mobilmachung vom 5. August 1914 bis 4. September 1914 bei nebenstehender Kompagnie“ eingestellt war. Auf dem selben Blatt verraten kleine blaue Stempelabdrücke, an welchen Gefechten er mit dem 1. Kurhessischen Infanterie-Regiment Nr. 81 (6. Kompagnie) teilgenommen hat:

  • „22. bis 23. August 1914: Schlacht bei Neufchâteau“
  •  „24. bis 29. August 1914: Schlacht an der Maas (dabei am 24. August Gefecht bei Tremblois, 25./26. Gefecht am Chiers-Abschnitt Carignan, , 28.8. Yoncq-Flaba“
  •  „30. August bis 4. September 1914: Gefechte am Ardennenkanal und Verfolgungsgefechte zwischen Maas und Maine, dabei 31.8. Gefecht bei Oches“

Zudem gibt es unter „Feldzüge und Verwundungen“ noch folgenden handschriftlichen Eintrag, der sich offenbar ebenfalls auf den Zeitraum von August bis September 1914 bezieht:

  • „Bewegungskrieg in Belgien und Frankreich von Neuchateau bis Grandprée“
Plötzlich außer Gefecht gesetzt

Kaum hat der Krieg für Georg Schmiele begonnen, ist er auch schon wieder vorbei. Der Soldat wird außer Gefecht gesetzt, aber nicht, wie vielleicht zu erwarten wäre, durch eine französische Gewehrkugel oder einen Granatsplitter, sondern durch einen Unfall. Am 8. September 1914 schreibt er nach Hause:

„Ich habe mir beim Springen über einen Graben eine Sehnenzerrung zugezogen. Das kommt davon, weil die Franzosen so ausrücken.“

Zu diesem Zeitpunkt befindet sich Georg Schmiele schon in einem Lazarett in Kassel, in das er am 4. September krank überwiesen worden ist. Der Lazarettaufenthalt dauert bis zum 4. Oktober 1914. Im Militärpass ist unter dem Punkt „Feldzüge und Verwundungen“ vermerkt: „Bei Grandpree verunglückt (Sehnenzerrung)“.

Nach dem Aufenthalt im Lazarett wird Georg Schmiele am 11. Dezember 1914 aus dem Ersatz-Infanterie-Regiment Nr. 81 (6. Kompagnie) zur Flieger-Ersatz-Abteilung 3 Gotha versetzt. Am 1. April 1915 folgt die Versetzung zur Flieger-Ersatz-Abteilung 9 in Darmstadt, sodann am 9. Juni 1915 zur Feld-Flieger-Abteilung 65. Mit dieser Einheit ist er laut Militärpass an folgenden Gefechten beteiligt:

  • „9. Juni 1915 bis 8. Oktober 1916: Stellungskämpfe in den mittleren Vogesen“
Zur Königlich-Preußischen Jagdstaffel versetzt

Zwischenzeitlich am 28. August 1915 zum Unteroffizier befördert, dient Georg Schmiele ab 9. Oktober 1916 bei der Königlich-Preußischen Jagdstaffel 14. In diese Zeit fällt auch seine Beförderung zum Vizefeldwebel am 15. November 1916. Bei der Jagdstaffel 14 ist Georg Schmiele laut der in den Pass eingeklebten Gefechtschronik an folgenden Auseinandersetzungen beteiligt:

  • „28. September 1916 bis 28. Februar 1917: Stellungskämpfe in Lothringen
  • 1. März bis 5. April 1917: Stellungskämpfe an der Aisne
  • 6. April bis 27. Mai 1917: Doppelschlacht Aisne-Champagne
  • 28. Mai bis 13. August 1917: Stellungskämpfe am Chemin des Dames
  • 14. August bis 22. Oktober 1917: Stellungskämpfe um Verdun
  • 23. Oktober bis 2. November 1917: Nachhutkämpfe an und südlich der Ailette
  • 3. November bis 2. Dezember 1917: Stellungskämpfe nördlich der Ailette
  • 3. Dezember bis 19. März 1918: Stellungskämpfe bei Reims“

Der Erste Weltkrieg endete am 11. November 1918 mit der Unterzeichnung des Waffenstillstands von Compiègne. Am 2. Dezember 1918 wird Georg Schmiele aus der Jagdstaffel 14 entlassen, wo er zuletzt als Waffenmeister diente.

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100 Jahre danach

Die Feldpostbriefe von Georg Schmiele erscheinen hier jeweils auf den Tag 100 Jahre, nachdem der gebürtige Berliner sie geschrieben hat. Was hat er im Ersten Weltkrieg erlebt und wie hat er den Krieg wahrgenommen? Veröffentlicht werden die Briefe von seinem Urenkel Carsten Fischer und Familienangehörigen.

Zur Person

Georg Schmiele

Ich bin Georg Schmiele, geboren 1888 in Berlin. Am 2. August 1914 wurde ich zum Kriegsdienst eingezogen. Wie es mir an der Front im Westen ergeht, schreibe ich meiner Frau Ida regelmäßig in meinen Briefen. Wir wohnen in Halver in Westfalen. Hier beginnen meine Feldpostbriefe und hier ist mein Lebenslauf.

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