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Uropas Briefe wie einen Schatz gehütet

0 Kommentare 01. August 2014

Feldpostkarten mit Georg Schmiele 02

Georg Schmiele (2.v.r), undatiertes Foto. Foto: Nachlass Schmiele

Von Carsten Fischer

An seinem Schnurrbart erkenne ich meinen Urgroßvater jedes Mal wieder. Vor mir, auf dem Tisch verteilt, liegen Schwarzweißfotos, auf denen uniformierte Soldaten abgebildet sind. Meistens haben sie sich für den Fotografen in einer Gruppe aufgestellt, und obwohl die Männer mit ihren Schnurrbärten auf den ersten Blick zum Verwechseln ähnlich sind, sticht mein Urgroßvater auf den Fotos hervor. Mit seinem außen hochgekämmten Bart sieht der Mann aus, wie ich mir Kaiser Wilhelm II. höchstpersönlich vorstelle.

Der markante Zwirbelbart auf einem Flugplatz, mit Doppeldeckern im Hintergrund. Der Zwirbelbart in einer Werkstatt, vor einer Reihe von Gewehren. Der Zwirbelbart mit anderen Soldaten vor einer großen Kanone. Wo sind diese Fotos wohl entstanden? Was steht in den Briefen, deren Handschrift schwer entzifferbar ist? Was hat mein Urgroßvater im Ersten Weltkrieg erlebt? Was ließ ihn in einem der bedrückenden Briefe schreiben: „Die besten Jahre gehen hin„?

Ich habe Georg Friedrich Gustav Schmiele als Kind nie kennen gelernt. Was ich von ihm weiß, stammt außer von Erzählungen von diesen Schwarzweißfotos, aus zahlreichen Feldpostbriefen und -postkarten, aus persönlichen Dokumenten, die 100 Jahre im Besitz meiner Familie überdauert haben. Ich erinnere mich noch daran, dass der Karton mit dem Nachlass manchmal hervorgeholt wurde, wenn meine Mutter und mein Onkel alte Familiengeschichten erzählten. Besonders beeindruckend fand ich als Kind in den achtziger Jahren weniger die lustigen Zwirbelbärte als die Bilder von abgestürzten Doppeldeckern, die ihre Nase in die Erde bohrten.

Der Karton mit den Fotos geriet nie ganz in Vergessenheit

Der Karton mit den Fotos und Briefen geriet nie ganz in Vergessenheit. Was anfangs noch ein unsortiertes Sammelsurium war, wurde von meiner Mutter sortiert und geordnet. Das machte es mir leicht, den Entschluss zu fassen, den ersten Brief meines Urgroßvaters in die Hand zu nehmen und ihn mühsam zu entziffern. Im Laufe der Jahre kamen immer mehr transkribierte Briefe zusammen, die sowohl von belanglosen Alltagsdingen, als auch von erschütternden Kriegserfahrungen berichten, oft gefärbt durch die Kriegspropaganda.

Beginnend mit dem 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs sollen die Briefe nach und nach und jeweils genau 100 Jahre, nachdem sie von Georg Schmiele datiert wurden, bei Weltkriegsblog.de erscheinen. Das Ziel ist es, die bislang unveröffentlichten persönlichen Zeitzeugnisse in einem experimentellen Internetprojekt einer historisch interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dabei sprechen die unkommentiert dokumentierten Briefe zunächst für sich selbst und ihre Zeit. Sie sollen aber nach Möglichkeit durch ergänzende Beiträge eingeordnet und verständlicher gemacht werden. Geplant ist auch, die Sammlung durch Fotos, Karten, Verweise und Multimedia-Elemente zu ergänzen.

Das Feldpost-Projekt beginnt mit einem Auszug aus einem Original-Lebenslauf von Georg Schmiele, der im Dreikaiserjahr 1888 geboren wird. Vorerst wird nicht verraten, welchen Weg er durch die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ genommen hat…

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100 Jahre danach

Die Feldpostbriefe von Georg Schmiele erscheinen hier jeweils auf den Tag 100 Jahre, nachdem der gebürtige Berliner sie geschrieben hat. Was hat er im Ersten Weltkrieg erlebt und wie hat er den Krieg wahrgenommen? Veröffentlicht werden die Briefe von seinem Urenkel Carsten Fischer und Familienangehörigen.

Zur Person

Georg Schmiele

Ich bin Georg Schmiele, geboren 1888 in Berlin. Am 2. August 1914 wurde ich zum Kriegsdienst eingezogen. Wie es mir an der Front im Westen ergeht, schreibe ich meiner Frau Ida regelmäßig in meinen Briefen. Wir wohnen in Halver in Westfalen. Hier beginnen meine Feldpostbriefe und hier ist mein Lebenslauf.

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