Post von Georg

Es wird noch mancher Familienvater drann glauben müssen

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[…]
Flieger-Abteilung 65
15 Res. Korps, im Westen

Feldpost

Frau G. Schmiele
in Halver i/Westfalen, Südstr.
Kreis Altena

[ohne Ortsangabe, vermutlich Schlettstadt] geschr. d. 12.10.15
No 4

M. l. Ida!

Es ist schon wieder bald 2 Wochen her, seit dem wir uns zum letzten Mal sahen. Wie ich Dir schon schrieb, ist es mir wie ein schöner Traum, aber es war doch schön, wenn bloß der Abschied nicht imme wäre; der drückt einem noch immer ein paar Tage nieder. aber man hat sich mal wieder von Angesicht gesehen und daß richtet einen auch wieder auf. Wir können dankbar sein; daß ich gerade noch Urlaub bekommen habe. Als ich einige Tage weg war kam eine Verordnung, daß es bis auf weiteres keinen Urlaub mehr giebt. Da konnte ich mal wieder lachen. Gott gebe; wenn ich jetzt wieder komme, zuhause bleiben kann. Das wird eine Freude geben wenn der Friede mal da ist. Für mich giebt es keine größere Freude als wieder nach meinen Lieben zurückzukehren. Nun liebe Ida was macht denn unsere kleine Elisabeth, ist sie noch munter, wenn ich jetzt wieder komme wird sie wohl ein gutes Stück weiter sein, die kleine Schmielsche. Sie lag so zufrieden im Bett als ich ging; Es ist wirklich ein Jammer daß mann so alles zurücklassen muß, aber wir müssen dieses auf uns nehmen und warten.

In Serbien bekommen die Königsmörder und Viehdiebe endlich auch mal deutsche Keile zu spüren. So eine Hottentottenbande; hoffentlich bekommen sie jetzt die Nase voll. Augenblicklich stehen wir ja ganz günstig, aber es wird noch mancher Familienvater drann glauben müssen. Aber endlich muß es ja doch Frieden werden.

Nun liebe Ida will ich aber noch etwas über meine Fahrt schreiben. In Elberfeld hatte ich ja ¾ Std Aufenthalt. Meine Tante stand am Bahnhof, allein. Onkel hatte keine Zeit. Ich war kaum ausgestiegen, da ging es schon los. „Georg denke dir bloß mal.“ Ida ich kann dir versichern, daß hättest Du mal mit anhören müssen. Schief hättest Du Dich gelacht. Erst hatte Else ihren Schirm stehen lassen irgendwo in der Bahn. vorher hatten sie ja natürlich den Zug verpaßt wie Du weißt. Dann waren sie in Lüdenscheid dem Begräbnis begegnet und der Kappellmeister hatte Kurt gedroht. Tante hat sich nun kolosal beleidigt gefühlt; daß ihrem Kurt auf offener Straße gedroht wurde. Dann hatte Frl. Mußmann ihr Armband verloren, daß sich ja jetzt wiedergefunden hatt. Dann hatten sie in Hagen keinen Anschluß an den Personenzug nach Elberfeld oder ich glaube sogar, er ist ihnen an der Nase vorbeigefahren. und haben dann einen Schnellzug genommen. Onkel sollte sie am Bahnhof abholen. Sie sind aber einander vorbeigelaufen. Tante mit ihrem Pech den oberen Weg und Onkel war die Treppe runtergegangen. Onkel stand am Bahnhof und wartete und wartete bis 1 Uhr zum Schießen nicht wahr? Um den Spaß voll zu machen hatte Frl. Mußmann noch kurz vorher ihren Schirm zerbrochen. Schade daß ich nicht den anderen Tag da war. Ich habe laut auf dem Bahnhof gelacht, als mir Tante das alles erzählte. Sie hat mir auch ein Paket mitgebracht; Rate mal was drin war. Ein bischen Spekulatius und saure Bonbons. Na ich nehme ja alles mit Dank an. aber den Verhältnissen entsprechend ist es doch wenig. hoffentlich ist es herzlich.

Um 1034 fuhr ich wieder aus Elberfeld; hatte aber mindestens 10 x vorher versprechen müssen gleich zu schreiben. Was ich noch nicht gethan habe. In Köln hatte ich noch bis 143 Zeit. Dort fuhren gerade Soldaten ins Feld. Um 820 war ich in Straßburg, um 1000 fuhr ich weiter, war um 1100 in Schlettstadt; und saß um 1200 Uhr mit meinem Wurst, […] und Käse […] auf meiner Bettkante als wenn ich einen Schlag mit der Wichsbürste erhalten hatte, und dachte an die vergangenen 14 Tage. Um 100 besah ich mich von innen. Am anderen Morgen wurde ich durch die ganze Kollonne mit „Hurah“ Schmiele ist wieder da. geweckt. Ich war natürlich noch wenig zu sprechen. Jetzt geht es wieder besser. Auch sonst geht es noch. Meine Löhnung habe ich auch für die 14 Tage erhalten.

Ich schicke dir daß Geld was ich nicht brauche nächste Woche. Denn viel Geld möchte ich nicht bei mir haben. Du kannst Dir dafür Milch oder Eier kaufen. Nun meine l. Ida will ich für dieses Mal schließen. Schreibe bald wieder, oder hast Du es dir in den 14 Tagen wieder abgewöhnt. Grüße Onkel u. Tante recht herzlich von mir. Gott befohlen.

Viele herzl. Grüße und Küße
senden Euch beiden Kleinen
Eurer Georg

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100 Jahre danach

Die Feldpostbriefe von Georg Schmiele erscheinen hier jeweils auf den Tag 100 Jahre, nachdem der gebürtige Berliner sie geschrieben hat. Was hat er im Ersten Weltkrieg erlebt und wie hat er den Krieg wahrgenommen? Veröffentlicht werden die Briefe von seinem Urenkel Carsten Fischer und Familienangehörigen.

Zur Person

Georg Schmiele

Ich bin Georg Schmiele, geboren 1888 in Berlin. Am 2. August 1914 wurde ich zum Kriegsdienst eingezogen. Wie es mir an der Front im Westen ergeht, schreibe ich meiner Frau Ida regelmäßig in meinen Briefen. Wir wohnen in Halver in Westfalen. Hier beginnen meine Feldpostbriefe und hier ist mein Lebenslauf.

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